Drittes Ahrtaler Hospizgespräch beschäftigte sich mit dem Wandel der Bestattungskultur

Vom Uniformen zur Individualität

Hospiz-Verein Rhein-Ahr hatte fachkundige Gäste eingeladen

23.01.2018 - 17:30

Bad Neuenahr-Ahrweiler. Wohl in kaum einem anderen Zeitraum zuvor hat sich die Bestattungskultur hierzulande so umfangreich verändert wie im vergangenen Vierteljahrhundert. Eine Tatsache, die in vielen ihrer Facetten auch beim dritten „Ahrtaler Hospizgespräch“ im „Hospiz im Ahrtal“ deutlich wurde. Hierzu hatte der veranstaltende Hospiz-Verein Rhein-Ahr mit dem Bürgermeister der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, Guido Orthen, Dechant Jörg Meyrer, Bestatter Heinz-Peter Hoppe und der Soziologin Ghazel Wahisi interessante und fachkundige Gäste eingeladen, die im Rahmen einer gut zweistündigen, von Rektor a.D. Hubert Rieck moderierten Podiumsdiskussion vor rund 50 Besuchern ihre Erfahrungen, Einschätzungen und Meinungen zu diesem sehr individuellen und persönlichen Thema äußerten.


Veraltetes Bestattungsrecht


„Ich habe mich immer gerne um das Thema Friedhöfe gekümmert“, sagte Guido Orthen und ging auch auf das Bestattungsrecht ein. „Wenn sich eine Gesellschaft verändert, verändern sich auch die Gesetzte“, so Orthen, der das hiesige Bestattungsrecht als eher veraltet ansieht: „Hier hat der Gesetzgeber auf bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen noch nicht reagiert.“

Viele der heute noch gültigen Vorschriften kämen aus Zeiten, in denen es auch um die Bekämpfung hoch ansteckender Krankheiten gegangen sei, was beispielsweise auch die sogenannte „Sargpflicht“ betreffe, sagte Guido Orthen, der auch einige Zahlen rund um die städtischen Friedhöfe ansprach.

Sechs Friedhöfe gibt es aktuell in der Kreisstadt, auf denen sowohl Erd- als auch Urnenbestattungen möglich sind. Es gibt eine Mindestruhezeit von 15 Jahren, danach kann die Grabstätte, je nach Bodenzusammensetzung, optional verlängert werden oder aber eine Abräumung der Grabstätte erfolgen. Diese Ruhezeiten gelten zur Verwunderung vieler Bürger auch bei den Asche-Bestattungen.


Leerstand auf städtischen Friedhöfen


Dann ging Guido Orthen auf den massiven Wandel im Bereich der Bestattungsart ein, der auch in Bad Neuenahr-Ahrweiler festzustellen ist. „Vor 20 Jahren gab es 85 Prozent Erd- und 15 Prozent Asche-Bestattungen, heute ist es bei einem dreiviertel Anteil Urnenbestattungen genau umgekehrt“, sagte Orthen und fügte an: „Die Menschen sterben oftmals nicht mehr an dem Ort, an dem sie geboren wurden. Hinzu kommen finanzielle Aspekte und die Tatsache, dass sich die Angehörigen nicht um die Grabpflege kümmern können.“ Der Rückgang der Erdbestattungen führte allein auf den städtischen Friedhöfen zu einem Leerstand von derzeit rund 50 Prozent.

Schon allein von Berufs wegen ist Dechant Jörg Meyrer nicht selten auf den Friedhöfen unterwegs, und auch er bestätigte die umfangreichen Veränderungen im Bereich der Bestattungskultur.

„Es gibt einen ganz klaren Wandel von der früher eher uniformen, stark von christlichen Riten geprägten Bestattungskultur hin zur Individualität. Riten, die einst selbstverständlich waren, gibt es kaum noch oder gar nicht mehr. Noch vor 15 Jahren gab es keine Beisetzung ohne Sterbeamt – heute ist es nicht einmal mehr die Hälfte. Das ist in Ordnung so und ich will das auch nicht bejammern.“ Die Menschen erfänden ihre Trauerfeiern immer mehr selbst. Es ähnele fast schon Hochzeiten, die Menschen wollten selbst gestalten, eigene Riten erfinden. Dabei änderten sich auch die Friedhöfe, die ebenfalls noch aus der uniformen Zeit stammten. Daher sollten sich die Menschen darüber Gedanken machen, wie sie beerdigt werden möchten. Dennoch sei die Trauerfeier eine Feier für die Hinterbliebenen, nicht für die Toten, so Jörg Meyrer.


„Traditionen sollten bewahrt werden“


Die Islamwissenschaftlerin und Soziologin Ghazel Wahisi beleuchtete die Bestattungskultur als praktizierende Muslimin aus der Sicht des Islam. „Es gibt Ähnlichkeiten mit alt-christlichen Traditionen, und eben jene Traditionen sollten bewahrt werden – ich finde sie schön, egal um welche Religion es sich handelt“, so Ghazel Wahisi, die interessante Einblicke in die islamische Bestattungskultur lieferte.

So wird hier der Tod als Prüfung und Vorbereitung auf das ewige Leben angesehen, was auch das Zitat „Wir gehören zu Gott und zu Gott kehren wir zurück“ anschaulich widerspiegelt. Auch darf ein sterbender Moslem nicht alleine gelassen werden, dazu wird aus dem Koran rezitiert und der Kopf des Sterbenden in Richtung Mekka, der Geburtsstadt Mohammeds, des Propheten des Islam, gelegt. Gemeinsam wird das muslimische Glaubensbekenntnis gesprochen.

Nach der rituellen Waschung des Leichnams muss die Beerdigung noch am selben Tag stattfinden, was für in Deutschland lebende Muslime aufgrund der Gesetzeslage schwierig ist. Selbiges gilt für die traditionelle Bestattung im Leinentuch. Um die Toten nicht zu stören, findet an den ebenfalls in Richtung Mekka ausgerichteten Grabstätten keine Grabpflege statt, die Gräber bleiben für immer.


Die Erdbestattung als Ausnahme


Auch Heinz-Peter Hoppe, seit mehr als 20 Jahren als Bestatter in Bad Neuenahr-Ahrweiler tätig, konnte die veränderte Bestattungskultur bestätigen. „Als ich 1979 meine Ausbildung begann, hatten wir im gesamten Kalenderjahr nur zwei Feuerbestattungen, doch den Trend hierhin habe ich schon vor 20 Jahren vorausgeahnt“, so Hoppe, der einst sogar den Plan hatte, auf dem Ahrweiler Bergfriedhof ein Krematorium zu errichten. Heute sei die einst klassische Erdbestattung eine Ausnahme.

„Die Leute haben keine Zeit, ein Grab zu pflegen, möchten aber dennoch eine Gedenkstätte haben, zu der sie hingehen können. Wegen eben jener Individualität wird die Bestattungsvorsorge immer wichtiger“, betonte Hoppe. So lasse sich im Vorfeld nicht nur der Ablauf und die Art der Bestattung festlegen, sondern auch der finanzielle Rahmen.

Aus dem Bestattungskulturwandel entstand nach einer Idee von Heinz-Peter Hoppe auch der immer beliebter werdende „Friedweinberg“ auf dem Ahrweiler Bergfriedhof. Hier kann die Urne neben einem Weinstock beigesetzt werden („BLICK aktuell“ berichtete). Auch noch eher kurios anmutende Beisetzungsformen wie die „Diamantbestattung“ seien im Kommen. Hierbei wird ein Teil der Asche des Verstorbenen zu einem Diamanten gepresst und kann dann vom Angehörigen als Schmuckstück getragen werden.


Die Fähigkeit zu Trauer und Trauerarbeit nicht verlieren


Im weiteren Verlauf der Podiumsdiskussion wurde auch auf die Sicht der katholischen Kirche auf die neuen Bestattungsformen geblickt, sprach doch die Feuerbestattung ursprünglich gegen die katholische Lehre der Auferstehung des Fleisches. Auch andere Berufszweige, wie beispielsweise Gärtner oder Steinmetze, seien direkt von den Veränderungen der Bestattungskultur betroffen, sagte Heinz-Peter Hoppe.

Guido Orthen bemerkte, dass es aus seiner Sicht auf jeden Fall einer Liberalisierung des Bestattungsrechtes bedürfe. „Der Staat muss sich bei diesen wesentlichen Belangen der Bürger zurücknehmen. Wir werden den Menschen nicht mehr vorschreiben können, wie sie zu leben und zu sterben haben“, so Orthen.

Jörg Meyrer ging noch auf den Verlust von Riten ein: „Wenn wir unsere Riten verlieren, verlieren wir auch die Fähigkeit zu Trauer und Trauerarbeit.“ Moderator Hubert Rieck schloss mit einem passenden Zitat aus dem Monty-Python-Film „Der Sinn des Lebens“: „Nun, dies ist das Ende des Films und hier kommt der Sinn des Lebens. Seien Sie nett zu Ihren Nachbarn, vermeiden Sie fettes Essen, lesen Sie ein paar gute Bücher, machen Sie Spaziergänge und versuchen Sie in Frieden und Harmonie mit Menschen jeden Glaubens und jeder Nation zu leben.“

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