Theater gegen das Vergessen in der Remagener Rheinhalle

Ein erschreckendes Bild von Unwissenheit und politischer Kriminalität

In „Winni und Adi - Das Duell“ treffen zwei Personen der Weltgeschichte fiktiv aufeinander – Autor und Regisseur führen das Publikum an die Unfassbarkeiten des Zweiten Weltkrieges heran –

Ein erschreckendes Bild von
Unwissenheit und politischer Kriminalität

Die Besichtigung des Friedensmuseums „Brücke von Remagen“ beeindruckte die beiden Schauspieler Hubsi Kramer (l.) und Christian C. Weinberger, die ein Gastspiel in Remagen gaben. Foto: AB

30.11.2015 - 14:36

Remagen. Drei Tage vorher war der Zug der Rechtsradikalen von Demonstranten gestoppt worden, Remagen feierte ein buntes Fest, als Protest gegen die ewig Gestrigen. Hochrangige Politiker sprachen sich beim „Tag der Demokratie“ für Vielfalt und ein integratives Miteinander aus. Dann in der Rheinhalle „Winni & Adi - Das Duell“ - Theater gegen das Vergessen. Zwei Personen der Weltgeschichte trafen fiktiv aufeinander: Winston Churchill (Christian C. Weinberger) und Adolf Hitler (Hubsi Kramer), beides Österreicher, Schauspieler der Extraklasse – Wiener Burgtheater.

Der amerikanische Journalist Ludwig Peter Ochs hat sich der Motivationen und der Psyche der beiden Gegenspieler im Zweiten Weltkrieg angenommen. Er hat ihre Aussagen seziert: Originalzitate zusammengestellt, sie in einem geschichtlichen Kontext aufgereiht und damit ein erschreckendes Bild von bürgerlicher Unwissenheit, politischer Kriminalität und staatsmännischer Unterlassungsstrategie aufgezeichnet.

Das Schauspiel über die Schrecken des 20. Jahrhunderts und die absehbar scheinenden Folgen erlebten in der Rheinhalle allerdings nur rund 100 Besucher. Zur Schulvorstellung, auf die die Schauspieler sich besonders vorbereitet hatten, kamen mehr als 200 Jugendliche bis Erwachsene von der Remagener Realschule und dem Gymnasium Nonnenwerth. Ein besonderes Lob konnten sich Schülerinnen und Schüler einheimsen: Im Vorfeld kaum vorstellbar, das ruhige Interesse, das die jungen Menschen den Vorgängen auf der Bühne zollten. Von Regisseur Clemens Keiffenheim in Licht und Ton nahezu pedantisch perfekt in Szene gesetzt, die abwechselnden Auftritte der beiden Persönlichkeiten. Der eher nachdenklich, fast philosophisch wirkende Churchill, der Hitler und sein Wirken unterschätzt, ihn handeln lässt, der auf die Ankündigung der Judenvernichtung fast verstehend eingeht. Hitler, der als Hubsi Kramer ein Charisma verbreitet, das die Frage aufkommen lässt, ist das das Original? Beide leben ihre Rollen, sind von der Kraft des Wortes überzeugt, so auch die ersten Dialoge. Winston: „Hitler ist ein Ungeheuer an Verruchtheit, unersättlich in seiner Blut- und Raubgier, ein blutdürster Straßenjunge.“ Adolf: „Churchill ist der übelste Typ eines korrupten Journalismus, eine richtige politische Hure. Der Mann hat selbst geschrieben: Man glaubt nicht, was man im Krieg mit Lüge alles machen kann! Ein amoralisches, widerwärtiges Subjekt.“ Beide halten sich für Heilsmänner der Geschichte, beide verarbeiten ihre Erlebnisse des Ersten Weltkrieges – und die ihrer Kindheit. Autor und Regisseur führen das Publikum langsam an die Unfassbarkeiten des Zweiten Weltkrieges heran, schildern in aller Deutlichkeit, dass alles hätte vorhersehbar sein müssen, dass Hitler seine Untaten frühzeitig ankündigte. Das Publikum bekommt aber auch vorgesetzt, dass sich wohl kaum ein Mensch zumindest der Faszination der Worte und der Gestik von Churchill und Hitler entziehen konnte. Da läuft es dem Publikum schon kalt den Rücken herunter bei der Hall betonten Rede von Hubsi Kramer im Münchner Hofbräuhaus. Da wiegelt Churchill fast ab: „Die Geschichte der Menschheit besteht aus Krieg. Außer für kurze und brüchige Zwischenspiele gab es nie Frieden auf der Welt, und bevor Geschichte begann, waren mörderische Kämpfe überall und endlos.“ Da hatte Hitler bereits 1922 im Gespräch mit dem Journalisten Joseph Hell gesagt: „Wenn ich einmal wirklich an der Macht bin, dann wird die Vernichtung der Juden meine erste und wichtigste Aufgabe sein. Sobald ich die Macht dazu habe, werde ich zum Beispiel in München auf dem Marienplatz Galgen neben Galgen aufstellen lassen, und zwar so viele, als es der Verkehr zulässt.“ Churchills Aussage zu Hitlers Unmenschlichkeit: „Antisemitismus taugt auf Dauer nicht.“


Versagen der europäischen Politik


Beide Staatsmänner wissen, dass es Krieg gibt, nehmen Schmerz, Tränen und menschliche Verbrechen in Kauf, sehen sich als „Retter der Welt“. Doch die Welt löst sich auf, Millionen und Abermillionen Menschen hätte Tod und Leid erspart werden können, wenn die Politik nicht versagt hätte. Churchills Aussage zum gescheiterten Russlandfeldzug, der Tausenden Menschen das Leben gekostet hat: „Hitler hat den russischen Winter vergessen, das wäre mir nie passiert.“ In der Pause des gut zweistündigen Stückes wurde manche Parallele gezogen zur heutigen Zeit. „Erschreckend“, „unglaublich“, „tolle schauspielerische und dramaturgische Leistung“, so die Kommentare. Da gab es auch dickes Lob für Dieter Rita Scholle, der als diabolischer Conférencier, begleitet von Hans Wolf am Klavier mit Liedern von Marika Röck, einen satirischen Beigeschmack in das Schauspiel wirft. Den Studienrätinnen und Lehrerinnen von Realschule und Nonnenwerth dankten die Organisatoren der „Kulturwerkstatt“ für ihr Kommen mit den Schülerinnen und Schülern. Die hatten es sich nicht nehmen lassen, doch mit Churchill und Hitler nach kaum enden wollenden Applaus „Selfis“ auf der Bühne zu schießen. Am Rande war noch zu bemerken, dass sich die sympathischen Schauspieler Hubsi Kramer und C.C Weinberger vor der Vorstellung sehr viel Zeit genommen hatten, das Friedensmuseum „Brücke von Remagen“ zu besichtigen. Nach der Führung durch den Vorsitzenden Hans Peter Kürten zeigten auch sie sich sichtlich beeindruckt von den tatsächlichen Ereignissen rund um die Einnahme durch die Alliierten der Brücke und dem grausigen Geschehen im „Rheinwiesenlager“ in Remagen. Gefördert wurde das Theaterstück durch die Kulturförderung des Kreises Ahrweiler und das Projekt „Demokratie leben“ des Bundesfamilienministeriums.

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