Leserbrief zum Bericht über die letzte Gemeinderatssitzung in Niederzissen
„Unsere alte Dorflinde muss bleiben“
Für Willi Fuhrmann aus Niederzissen stellt es eine „ungeheuerliche Forderung“ dar, die 102 Jahre alte Dorflinde „zu opfern“
In einem Pressebericht über die letzte Gemeinderatssitzung wurde eher beiläufig erwähnt, dass das Landesamt für Mobilität (LBM) sich wegen der Probleme beim Umfahren der Linde am Anfang der Oberdorfstraße für ein Fällen des Baumes als beste Möglichkeit zur Entschärfung der Situation ausgesprochen hat. Das darf doch wohl nicht wahr sein!
Ausgerechnet die Behörde, die sich für die Ampelanlage und die damit verbundene Verkehrsführung um die Linde ausgesprochen hat, empfiehlt jetzt für diese überflüssige Maßnahme die inzwischen 102 Jahre alte Dorflinde „zu opfern“. Die Verantwortlichen dieser Behörde haben überhaupt kein Recht, eine solche ungeheuerliche Forderung zu stellen, was in ihren Augen wohl die einfachste Lösung eines Verkehrsproblems darstellt, das durch die Ampelanlage erst entstanden ist.
Die Linde am sogenannten „Scheffestöhlche“, also dort, wo vermutlich im Mittelalter Gerichtsbarkeiten stattfanden, wurde laut Chronik der Gemeinde Niederzissen im Jahre 1913 aus Anlass der 25-jährigen Regentschaft von Kaiser Wilhelm II. gepflanzt und stellt sei dem als „Kaiserlinde“ ein markantes Naturdenkmal im Ort dar. Generationen haben sich auf einer Bank, die unter der Linde bzw. um die Linde herum gebaut war, meist am Feierabend, aber auch tagsüber, dort getroffen um Neuigkeiten auszutauschen oder einfach nur um ein Schwätzchen zu halten. Mehrere Fotos in der Chronik beweisen dies und den älteren Mitbürgern sind diese Situationen noch in guter in Erinnerung. Meine Schwestern und ich sind in unserem Elternhaus direkt neben dieser Linde geboren und aufgewachsen und wir sehen die meist älteren Bewohner der Oberdorfstraße und den angrenzenden Straßen noch genau vor uns, wie sie dort sitzen und gemütlich erzählen. Oft haben wir uns dazu gesellt, um etwas mit zu bekommen. Früher gab es fast in jedem Ort eine Dorflinde oder eine Dorfeiche, auch heute noch trifft man solche inzwischen uralten Bäume an. Sie gehören längst zum Kulturgut eines Dorfes und werden gehegt und gepflegt, damit sie noch lange ein solches bleiben. Und ausgerechnet „unsere“ Linde soll jetzt weichen, weil LKW-Chauffeuren eine Umfahrung nicht zugemutet werden kann. Warum müssen denn LKWs um die Linde fahren? Doch nur, weil seit dem 23. April 2014 aufgrund einer verkehrspolizeilichen Anordnung in der Oberdorfstraße ein ampelgesteuerter Einbahnverkehr eingerichtet wurde. Dieser „Feldversuch“ dauert nun schon 19 Monate an und kann in meinen Augen als gescheitert und überflüssig angesehen werden. Meine älteste Schwester, die in unserem Elternhaus noch wohnt und von dieser Maßnahme durch Lärm und Abgase unmittelbar erheblich belästigt wird, hat am 22. Mai 2014 Widerspruch gegen die Ampelanlage bei der zuständigen Verkehrsbehörde eingelegt und bis heute weder einen Bescheid noch eine Zwischenbenachrichtigung erhalten. So geht man nicht mit alteingesessenen Bürgern um. Und jetzt soll noch anstelle der Ampel die Linde verschwinden. Eine andere Lösung, so war zu lesen, ist der Bau einer überfahrbaren Einfassung, was aber zulasten der Gemeinde ginge und die gut 5.000 Euro kosten soll. Das LBM, was ja mitverantwortlich für die Installation der Ampel und die damit verbundene Verkehrsführung ist, schlägt auf Kosten der Gemeinde eine Maßnahme vor um die Linde „zu retten“. Ich hoffe nicht, dass der Gemeinderat, der wohl in einer der nächsten Ratssitzungen darüber entscheiden wird, auf einen solchen Deal eingeht. Für den Gemeinderat kann die einzig vernünftige, diesmal nicht nur für die Oberdorfbewohner, sondern für alle Niederzissener Bürger zu treffende Entscheidung nur lauten: „Unsere alte Dorflinde muss bleiben“. Die einfachste Lösung wäre in diesem Falle nicht die Schaffung einer 5.000 Euro teuren überfahrbaren Einfassung, sondern der Abbau der unnötigen Ampelanlage. Auf jeden Fall sollte man die Sperrung der Oberdorfstraße für den Schwerlastverkehr, mit Ausnahme von Anlieferungen, ins Auge fassen. Damit würden auch die Anwohner der Oberdorfstraße spürbar entlastet und es käme nicht mehr zu den unfallträchtigen Situationen an der Linde.
So wie sich vor ca. drei Jahren eine Initiative von Anwohnern der Oberdorfstraße für eine Ampelregelung gebildet hat, müsste sich jetzt eine Initiative von allen Niederzissener Bürger für den Erhalt der Linde bilden.
Willi Fuhrmann, Niederzissen