Wanderausstellung „1700 Jahre jüdisches Leben. Tradition und Identität der Juden in Rheinland-Pfalz“
Kies, Moos und Döppekooche
Wanderausstellung noch bis zum 1. November in der ehem. Synagoge Niederzissen
Niederzissen. Die Wanderausstellung „1700 Jahre jüdisches Leben. Tradition und Identität der Juden in Rheinland-Pfalz“ macht zurzeit Station in der ehemaligen Synagoge in Niederzissen. Zur Eröffnung begrüßte Richard Keuler, Vorsitzender des Kultur- und Heimatvereins die Gäste, darunter Staatssekretär des Ministeriums für Frauen, Familie, Kultur und Integration David Profit, Rolf Hans, Bürgermeister und Erster VG-Beigeordneter sowie den Kreisbeigeordneten Friedhelm Münch. Des Weiteren waren Avadislav Avadiev, Vorsitzender der jüdischen Gemeinden Rheinland-Pfalz und der jüdischen Gemeinde Koblenz und Dieter Burgard, Beauftragter für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus unter den Gästen, ebenso wie Vertreter der Kirche.
„Dies ist ein besonderer Ort für Geschichte, Aufklärung, Toleranz und Kultur“, stellt Richard Keuler fest und betont damit, dass diese Ausstellung hier genau am rechten Platz ist, denn: „Wir sind ein Teil dieser Geschichte hier in Niederzissen, und das seit 750 Jahren.“ Seit den 1970er Jahren engagiert sich der Kultur- und Heimatverein für den Erhalt der Synagoge, und die Pflege des jüdischen Friedhofs. Das weiß auch Kreisbeigeordneter Friedhelm Münch in seinem Grußwort zu betonen: „Als ich in den 70ern einmal hier vor Ort gearbeitet habe, da war hier eine Schmiedewerkstatt. Aber auch damals wusste man, hier war einmal eine Synagoge. Heute sind wir stolz, eine solche Dokumentationsstätte im Kreis Ahrweiler zu haben.“
Ähnlich sah das auch Staatssekretär Daniel Profit, der als Vertreter der Landesregierung betonte: „Jüdisches Leben in Deutschland ist mehr als die Jahre 1933-45. 1700 Jahre jüdisches Leben soll uns diese Wanderausstellung in Erinnerung rufen.“ Es sei ein Glück, dass die Synagoge in Niederzissen „überlebt“ habe, eine Chance, nie zu vergessen, dass es auch einmal anders war. Dies vor allem, weil es heute wieder Kräfte gebe, die dies in Frage stellten. Das bestätigte auch Dieter Burgard als Beauftragter der Landesregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus und legte den Fokus auf Bildung und Ausbildung: „Jeder Schüler und jeder Auszubildende sollte einmal eine solche Ausstellung besuchen.“
„Der Heimat- und Kulturverein Niederzissen kümmert sich seit vielen Jahren um die ehemalige Synagoge und den Erhalt der Zeugnisse jüdischen Lebens in der Region“, so Bürgermeister Rolf Hans. „Die Ereignisse der Vergangenheit erfüllen uns mit Trauer und Schmerz.“ Die Dauerausstellung des Vereins im Nebenraum der Wanderausstellung ergänze diese sinnvoll und zeige Dokumente aus der Zeit, sorgfältig und mit Bedacht bewahrt und rekonstruiert.
Avadislav Avadiev begrüßte als Landesvorsitzender der Jüdischen Gemeinden die Dokumentation: „Das Jubiläum wird bis zum nächsten Jahr fortgeführt, das unterstreicht die Bedeutung jüdischen Lebens in Rheinland-Pfalz“, sagte er. Jüdisches Leben habe überall im Alltag seine Spuren hinterlassen. „Trotz Verfolgung und Ermordung – diese Steine könnten viele Geschichten erzählen“, damit meinte er die Mauern der ehemaligen Synagoge.
Dann kam Dr. Ulrich Hausmann zu Wort, einer der Initiatoren und Gestalter der Ausstellung.Er erläuterte an einigen Beispielen den Einfluss des gemeinsamen Alltags auf dem Land, etwas bei der Bedeutung von Begriffen wie „Kies“, „Moos“, „Schofel“ oder „Schales“. Letzteres ist das Synonym für den traditionellen „Döppekooche“.
Zur Geschichte und zur Ausstellung
Das Dekret Kaiser Konstantins aus dem Jahr 321 ist die älteste erhaltene Urkunde, welche die Existenz von Juden nördlich der Alpen belegt, und ist Orientierungspunkt für das bundesweit begangene Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. In Rheinland-Pfalz beteiligen sich zahlreiche Initiativen mit Veranstaltungen, denn hier hat jüdisches Leben in zwei Jahrtausenden vielfältige Spuren hinterlassen.
Auf 16 Thementafeln werden Schlaglichter auf die reiche jüdische Geschichte in Rheinland-Pfalz geworfen und einzelne Persönlichkeiten, Bräuche und Bauten präsentiert. Besonders facettenreich ist das jüdische Erbe in Rheinland-Pfalz im Hochmittelalter, wie jüngst die Anerkennung der SchUM-Stätten in Speyer, Worms und Mainz mit dem Weltkulturerbetitel der UNESCO am 27. Juli 2021 unterstreicht. Ergänzt wird die Ausstellung durch Filmdokumentationen von Andreas Berg (SWR) und Adolf Winkler sowie durch Zeitzeugengespräche und eine virtuelle Rekonstruktion der 1938 zerstörten Synagoge in Simmern, was sich gut in die Dauerausstellung der ehemaligen Synagoge Niederzissen einfügt.
Die Ausstellung ist ein Projekt des Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V. im Rahmen des Festjahrs „321–2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ in Kooperation mit dem Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit sowie dem Beauftragten für jüdisches Leben und Antisemitismusfragen der Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz. Weitere Informationen gibt es auf der Projektseite des Institutes für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V. unter www.igl.uni-mainz.de.
Die Wanderausstellung „1700 Jahre jüdisches Leben. Tradition und Identität der Juden in Rheinland-Pfalz“ ist in der ehemaligen Synagoge Niederzissen noch bis zum 1. November an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen von 14 bis 18 Uhr und nach Terminvereinbarung unter Tel. 0172-9744611 oder richardkeuler@web.de auch in der Woche über für Besucher und zu besichtigen.