Freitag vor Pfingsten wurde im Erpeler Tunnel die Ausstellung „Zeitzeugen“ eröffnet
Zeitzeugen-Erinnerungen mahnen, den Frieden zu wahren
Erpel. Seit 2006 wird das Schauspiel „Die Brücke“ nach dem Roman von Rolf Palme in der Inszenierung von Intendant Walter Ullrich am Originalschauplatz, dem zum Theater umgestalteten ehemaligen Eisenbahntunnel unter der Erpeler Ley aufgeführt. Für die diesjährige Premiere am Freitagabend hatte sich das Künstlerduo Hanne Kubach und Thomas Richard Jahn etwas Besonderes einfallen lassen. Mit ihrem Foto-Kunstprojekt „Zeitzeugen“ öffnen sie den Besuchern im Vorraum des Theaterbereichs einen ungewohnten Blick auf die Geschichte des Tunnels der ehemaligen Ludendorff-Brücke.
Mit der 1869 von Anton Bruckner komponierten lateinischen Motette „Locus iste Deo factus est“, eröffneten die Streicher und Bläser der Musikschule „Agundo“ am Nachmittag die Ausstellung, für die Staatsminister a.D. Heinz Schwarz als Zeitzeuge die Schirmherrschaft übernommen hatte. Als damals 17-jährige Flakhelfer an der Erpeler Ley gehört der spätere Innenminister des Landes Rheinland-Pfalz zu den wenigen noch lebenden Zeitzeugen, die vom Vorsitzenden des Kunst- und Kulturverein „ad erpelle“ und damit Hausherr des Tunnels, Edgar Neustein, begrüßt wurden.
„In dem Schauspiel wird das historische Geschehen originalgetreu wiedergegeben. Die Zuschauer erleben am hier Originalschauplatz die dramatische und bewegende Geschichte vom 7. März 1945 hautnah mit“, so Thomas Jahn. Zusammen mit Hanne Kubach habe er sich jedoch gefragt, ob es richtig und sinnvoll sei, das Geschehen von damals überwiegend, wenn nicht sogar ausschließlich aus der militärischen Perspektive zu betrachten. „Uns hat die andere Seite dieser Geschichte um diesen Ort interessiert, was die Menschen hier in Erpel und in Remagen erlebt und erlitten haben während der Monate der Bombardierung der Gemeinden am Rhein, die so stark zerstört wurden. Wir wollten jene zu Wort kommen lassen, die an diesem Ort und im so genannten Zwergenloch Zuflucht gesucht haben“, so Hanne Kubach. Dazu wird den Zeitzeugen, deren Schilderungen der damaligen Situation Edgar Neustein schon anlässlich der Veranstaltungen „60 Jahre Kriegsende“ gesammelt hatte, auf je einer Seite von 16 zweigeteilten, 2 mal 1,5 Meter großen Bannern auf rotem Grund an den Längsseiten des Eingangsraums Gelegenheit gegeben. So berichtet Matthias Ott, Jahrgang 1929, wie er mit seinem Vater im Zwergenloch Schutz suchte, während sich Christine Wilhelm, Jahrgang 1931, daran erinnert, dass sie ab Anfang Januar täglich mit ihrer Schwester im Tunnel gesessen habe. Den hatte auch Josef Kubach als Achtjähriger im März aufgesucht, auch wenn der Remagener dafür für morgens einen langen Marsch zurücklegen musste, bevor er über die Ludendorffbrücke zum Tunnel gelangte. Karl Feldens wieder erinnert, wie sein Vater als einziges Opfer die Rheinüberquerung der Alliierten mit dem Leben bezahlen musste.
Geschichte soll bis in die Gegenwart wirken
In großen gelben Lettern stehen Worte wie „Verzweiflung“, „Zuflucht“, „Fliegeralarm“ „Angst“ und „Krieg“ über den Äußerungen der Zeitzeugen, aber auch „Hoffnung“ über den Zitaten der Zeitzeugen. „Mit ihnen wird die Geschichte viel weniger abstrakt, weil sie dem Betrachter der Banner die individuellen Erlebnisse der Betroffenen im Tunnel vor Augen rücken und ins Bewusstsein rücken, dass Friede nicht selbstverständlich ist, auch wenn wir uns hier in den über 70 Jahren nach Kriegsende an ihn gewöhnt haben“, erklärte Thomas Jahn.
Damit die Geschichte nicht nur sehr konkret wird, sondern auch in die Gegenwart hinein wirkt, haben die beiden Künstler den Zitaten Fotos von heute in Erpel lebenden Kindern an die Seite gestellt. „Das Schauspiel ist schon immens beeindruckend. Aber man hat doch den Eindruck, dass die Zuschauer nach diesem schwer zu verdauenden Theaterstück nicht nur froh sind, aus dem eisigen Tunnel zu raus kommen, sondern auch die dort erfahrene Geschichte, das menschenverachtende Nazi-Regimes und die Schrecken des Krieges hinter sich lassen zu können“, erklärte der Künstler. So wie damals die Zeitzeugen als Kinder Zuflucht in den Nischen vor der Gewalt des Krieges gesucht hatten, zeigen Fotos heutige Erpeler Kinder völlig ungestylt, wie sie einem eben auf der Straße begegnen, einzeln oder zu zweit, mit Smartphone, Basketball oder Roller in einer der Tunnelnischen. „So entsteht eine Brücke von den damaligen Kriegsereignissen in unsere zumindest bei uns friedliche Zeit, eine Spannung, die zum Nachdenken führt, denn auch für die Menschen, die es nicht anders kennengelernt haben, ist der Friede keine Selbstverständlichkeit“ wies Hanne Kubach unter Hinweis auf die Zeitgenossen, die wieder nationalistische Töne in die Welt hinausposaunen, auf die Mahnung der Zeitzeugin Maria Labonde hin: „Es darf sich nicht wiederholen!“
Vor dem Verlassen des Tunnels blicken die Besucher auf drei weitere Banner, die hoch über dem Eingang auf die Geschichte samt der beiden Erpeler Schutzräume eingehen. Erwähnt wird dort auch, dass die Offiziere Karl-Heinz Peters, Hans Scheller, August Kraft und Herbert Strobel als angeblich Verantwortliche für die misslungene Brückensprengung von einem Fliegenden Standgericht zwei Tage später wegen „Feigheit“ und „Dienstpflichtverletzung“ zum Tode verurteilt und im Westerwald erschossen wurden. Hauptmann Wilhelm Bratge, der ebenfalls zum Tode verurteilt worden, überlebte, da er in US-Gefangenschaft war. „Wir hoffen schon, dass die Besucher die hier gewonnenen Eindrücke aus dem Tunnel mir nach draußen nehmen und sich dort an die Mahnung der Kinder erinnern, sich für den Erhalt des Friedesn einzusetzen“, resümierten die beiden Künstler. DL