Navid Kermani erhielt den Joseph-Breitbach-Preis im Theater der Stadt Koblenz

Feierliche Preisverleihung

25.09.2014 - 11:20

Koblenz. Am 20. Mai stand es fest: Der diesjährige Joseph-Breitbach-Preisträger wird der seit dem Jahr 2000 schon vielfach für sein akademisches und literarisches Werk ausgezeichnete Erzähler, Essayist und Orientalist Navid Kermani sein. Die Preisübergabe erfolgte jetzt vor großem Publikum im Theater der Stadt Koblenz durch Prof. Dr. Dr. h.c. Gernot Wilhelm, den Präsidenten der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Egon Ammann von der Stiftung Joseph Breitbach, Walter Schumacher, Kulturstaatssekretär des Landes Rheinland-Pfalz, Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig, Oberbürgermeister der Stadt Koblenz und Matthias Nester, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Koblenz. Obwohl der mit 50.000 Euro dotierte Preis für Kermanis literarisches Gesamtwerk verliehen wurde, erhielt der Deutsch-Iraner ihn doch mit einem besonderen Augenmerk auf sein 2011 erschienenes 1200-seitiges Werk „Dein Name“. Mit dem in rund fünf Jahren erarbeiteten Buch gedenkt er „seiner Toten“, der Verstorbenen, die in seinem Leben eine Rolle spielten. Im Mittelpunkt stehen die Erinnerungen seines Großvaters, mit denen die Geschichte des Iran für den Leser lebendig und verständlich wird und die eine Brücke schlagen zwischen persischer und europäischer Kultur.

Der Begrüßung durch den Oberbürgermeister folgten noch drei Grußworte, bevor Kermani nach der Laudatio durch den Schriftsteller Martin Mosebach den Preis entgegennehmen durfte. In allen Grußworten war natürlich auch Breitbach ein wichtiges Thema, hatte der deutsche Schriftsteller 1977 doch diesen Literaturpreis gestiftet, um damit eine Öffentlichkeit für Autoren bedeutender Werke zu schaffen. Seit 1998 wird der Preis von Stiftung und Akademie gemeinsam verliehen. Schumacher sagte, Breitbachs Bücher redeten dem Leser ins Gewissen, er sei eine moralische Instanz gewesen, und Kermani sehe er ganz ähnlich als eine solche. Als Vertreter der Akademie lobte Wilhelm die Arbeit der Jury, die immer zu plausiblen und oft, wie besonders in diesem Jahr, zu ganz hervorragenden Beschlüssen führe. Natürlich ließ es sich auch Ammann (Gründer des gleichnamigen Verlages, der zwischen 2002 und 2007 literarische Werke Kermanis herausgab) nicht nehmen, ein paar Worte zu sprechen. Ihm imponiere die literarisch-künstlerische Beharrlichkeit Kermanis genau so wie die klugen und wohl gesetzten Wortmeldungen und Essays des in Köln lebenden Schriftstellers. Ammann bezeichnete sich geradezu als (Kermani)-süchtig, besonders glücklich gemacht habe ihn dessen Rede im Deutschen Bundestag zur 65-Jahr-Feier des Grundgesetzes als ein Plädoyer für das Gesetzeswerk.

2007 hielt Kermani die Laudatio für Mosebach anlässlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises an den Schriftsteller-Kollegen. Bei der Verleihung des Breitbach-Preises revanchierte sich Mosebach nun mit einer hoch intellektuellen Lobrede, die besonders Kermanis literarisches Werk adelte. Eingeschlagen habe bei ihm Kermanis 2011 erschienenes Buch mit dem Titel „Gott ist schön: Das ästhetische Erleben des Koran“. Beeindruckt zeigte er sich von der Thematik, einer ganz und gar irdischen, klanglich-sinnlichen Schönheit, der Schönheit der Sprache des Koran, in der sich die Gegenwart Gottes offenbare. Nachdem er dann politische Artikel des selben Autors über die Lage in seinem Heimatland gelesen habe, habe er sich Kermani zunächst als einen alten Gelehrten mit langem weißen Bart, mit gekreuzten Beinen auf einem Teppich sitzend vorgestellt. Ein Gelehrter ist er ohne Frage, aber der 1967 in Siegen geborene Autor ist jung und lebendig und steht mit beiden Beinen auf dem Boden. Kermani sei vor allem ein Erzähler, sagte Mosebach. Dem „Kosmos Kermani“ sei mit dem „geradezu monströsen“ Roman „Dein Name“ ein „Augenöffner“ gelungen. Der Autor versuche, darin alles zu sagen und sprenge dabei jede Form eines Korsetts. Dennoch sei das Buch sehr genau gebaut, Kermanis Chaos habe Rhythmus und Kontrast. Einen möglichst vollständigen Abdruck eines Lebens zwischen den Kulturen habe der künstlerisch und sufisch inspirierte Moslem Kermani mit dem Buch erreichen wollen. „Dein Name“ sei im Kern ein Totenbuch, erklärte Kermani in seiner Dankesrede. Aus der Erkenntnis, dass die ihn umgebenden Menschen immer weiter sterben - je älter er werde, desto schneller, fügte er mit einer berührenden, hoch poetischen Ansprache dem Roman weitere fünf Kapitel hinzu. Eines handelte von „Lutz“ Heinz-Ludwig Arnold, einem bedeutenden Wegbereiter der deutschen Nachkriegsliteratur, der nur drei Monate nach Erscheinen des Romans starb. Dieser Mensch habe ihm ein Leben lang die Treue gehalten, ihn unterstützt, wo er konnte. Kermani erzählte von Lutz, von seinem alten Rektor, von dem Vater seiner Schwägerin, von Frank Schirrmacher, dem Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und von seiner Tante Ghodsi. Sie alle hatten, auch wenn sie offenbar mitunter recht schwierige Menschen waren, ihre liebenswerten Seiten, die der Preisträger in ein solches Licht rückte, dass der Zuhörer sie „trotz allem“ einfach gern haben musste. Er erzählte von ihren Besonderheiten, ihrem Charakter, ihren gesellschaftlichen, religiösen und politischen Haltungen und von ihrer Beziehung zu ihm, seinen Erinnerungen an sie. Je nach Grad seiner inneren Bewegtheit nahm es ihm ein wenig die Stimme. So wie bei der Tante im Iran, deren rückhaltlos entgegengebrachte Liebe seine Kindheit prägte. Dabei erwähnte er den samtenen Klang von Kosewörtern, den er nur aus dem Iran kannte, während er die Schimpfenden eindeutig mit Deutschland assoziierte. An das Ende eines jeden Lebensbildes setzte Kermani in einer bedrückenden Nüchternheit jeweils die Geburts- und Todesdaten dieser seiner Wegbegleiter. So unterschiedliche Menschen wie diese gemeinsam an einen Tisch zu setzen, könne sich eigentlich kein Romanschreiber ausdenken, doch genau das habe er mit „Dein Name“ versucht. Mit lang anhaltendem Applaus dankte das an seinen Lippen hängende Publikum dem Preisträger für diese außergewöhnliche Rede, die lange nachwirken wird.

Die feierliche Preisverleihung wurde musikalisch umrahmt von Eleonore Ciupka (Querflöte) und Maria Ollikainen, die Werke von Franck, Schulhoff und Fauré vortrugen. Beim anschließenden Empfang der Stadt Koblenz auf der Bühne im Theater gab es allerlei Köstliches. Viele der Gäste nutzten darüber hinaus die Gelegenheit, sich ein Buch von dem Preisträger signieren zu lassen. BSB

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