120 Besucher erleben einen unterhaltsamen Abend bei den BÜCHERSTIMMEN in Rheinbachs „Schatzkästchen“.
Großartige Bücher, Stimmen und Musik im Glasmuseum
Rheinbach. Der Applaus nach Regina Münchs Lesung aus Paul Austers Meisterwerk „4 3 2 1“ ist gerade verebbt, da setzt das Altsaxophon von Lennart Allkemper ein und versetzt die Luft im erleuchteten Ratssaal in sanfte Schwingung. Weich und warm wie schwarzer Samt gesellt sich kurz darauf die Stimmen der jungen Sängerin Melissa Muther hinzu, ihre halbakustische Konzertgitarre malt zupfend die Farben darüber. Muthers Eigenkomposition „My nearest relation“ passt gut zu der Textstelle über Austers vierfachen Helden Archibald Ferguson. Der 17-jährige Protagonist hat mit seinem neuen weißen Chevy mächtig Eindruck gemacht und gerade den ersten Kuss der angebeteten Amy bekommen, „der absolute Höhepunkt seiner jugendlichen Sehnsüchte“. Ausgesucht hat diesen zehnminütigen Auszug die Meckenheimer Literaturfreundin Edith Perlebach, was nach ihrem Bekunden „bei nahezu 1.300 Seiten wunderbarer Prosa nicht so ganz einfach war“.
Das ist das Konzept der BÜCHERSTIMMEN: Leidenschaftliche Leser aus der Region stellen ihr Buch im lockeren Gespräch mit den Moderatoren Christel Engeland und Gerd Engel vor, professionelle Sprecher lesen die ausgewählten Stellen und zwischendurch gibt es hochwertige Musik mit dem gewissen Etwas von einem Vertreter der hochkarätigen Dozentenriege der Musikschule Meckenheim-Rheinbach-Swisttal. Das junge Duo Muther & Allkemper setzt der 2017er Ausgabe mit seinen sechs Liedern zweifellos ein Glanzlicht auf.
Edith Perlebach und Stefan Schwarzer
Die Gäste sparen nicht an Eloquenz und Schlagfertigkeit. Gemeinsam mit Edith Perlebach sitzt zu Beginn Stefan Schwarzer auf dem Sofa. Er hat Anthony Doerrs „Alles Licht, das wir nicht sehen“ mitgebracht. Von dem SGR-Schulleiter erfährt man, dass er eigentlich Spannungsliteratur bevorzugt, am liebsten im englischen Original: „Der Doerr ist einerseits so spannend, dass man ihn wie eine Indiana-Jones-Geschichte lesen könnte und ist zugleich literarisch kunstvoll und facettenreich angelegt.“ Nach der Pause wirbt der aus Zülpich stammende Poet und Humorist Julius Esser (26) für Moritz Netenjakobs „Milchschaumschläger“, einem lose autobiografischen Comedy-Roman über den verrückten Alltag eines Café-Gründers. Auch zu seinem eigenen Alltag weise der Roman einige Parallelen auf, so Esser. Mit seiner Familie betreibt der Germanistik-Student nämlich das Landcafé „Siechhaus“ in Zülpich-Rövenich und kümmert sich nicht nur um die dort angesiedelte Kleinkunstbühne „Kulturgut“, sondern mittlerweile auch um das Frühstück am Wochenende: „Bei uns gibt’s auch noch Filterkaffee, und zwar im Original 60er-Jahre Service.“ Bei der ausgewählten Lesestelle liest Esser sogar mit, schlüpft in die Rolle eines radebrechenden russischen Straßengeigers („Ich bin Wasily und kann spiel aales …“) und sorgt zusammen mit Regina Münchs hart aber herzlicher Kölner Südstadtwirtin Gisela sowie dem von Ferdi Özten gelesenen verzweifelten Ich-Erzähler für Lachsalven im Publikum.
An Essers Seite sitzt die 21-jährige angehende Asienwissenschaftlerin Leonie Schnack, die auf Bitten von Engel Konfuzius im Original zitiert. Die junge Rheinbacherin hat die Moderatoren vorab ausführlich, u.a. mit einer Liste ihrer Lieblingsbücher, über ihre Lesegewohnheiten aufgeklärt. Auf dieser Basis haben die beiden Moderatoren je ein Buch ausgesucht und halten nun flammende Plädoyers, denen neben Überzeugungskraft auch eine Prise Flachs nicht fehlt. Engel wirbt für Joachim Meyerhoffs „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ und Engeland für Trevor Noahs „Farbenblind“. Wie bisher immer gewinnt Engeland das von den beiden erfundene „Book-Battle“: Die derart umworbene Studentin der Uni Bonn entscheidet sich wegen „der Prise mehr Exotik“ für Farbenblind.
Ferdi Özten gibt sein Debüt
Dass der sympathische 30-jährige Schauspieler Ferdi Özten aus Köln an der Seite von Rheinbachs WDR-Sprecherin Regina Münch zu seinem BÜCHERSTIMMEN-Debüt kommt, ergibt sich daraus, dass für den Sky-Kommentator Martin Groß Championsleague bedingt diesmal nur ein Platz im Publikum drin ist. Özten verrät, dass er seine Rheinbach-Premiere vor Kurzem im Sankt-Joseph-Gymnasium bei einer zweisprachigen Schullesung gegeben hatte.
Zur außergewöhnlichen Atmosphäre der Rheinbacher BÜCHERSTIMMEN tragen maßgeblich auch die perfekte Tonqualität sowie die farbige Ausleuchtung der Bühne durch Harald Scherer (4events) im genialen Zusammenspiel mit den illuminierten Vitrinen und Glasskulpturen bei. Ihm galt am Ende ein besonderes Lob, ebenso wie dem Rheinbacher Kulturamt und der Öffentlichen Bücherei St. Martin als Mitveranstalter bzw. Kooperationspartner, den Unterstützern Optik Schulz und Rheinbacher Waldhotel sowie der Buchhandlung Kayser. Deren Inhaber Christoph Ahrweiler hat sich wie jedes Jahr um die Leseexemplare gekümmert. Die fünf vorgestellten Titel finden auch beim Publikum viel Gefallen, wie der Umsatz an seinem Büchertisch zeigt.
Monika Flieger, 1. Vorsitzende des gemeinnützigen Veranstalters RHEINBACH LIEST, freut sich über die gute Publikumsresonanz: „Das Glasmuseum ist ein wahres Schmuckkästchen. Dieser Abend hat uns einmal mehr Lust auf Literatur gemacht. So haben wir das fünfjährige Jubiläum der BÜCHERSTIMMEN würdig begangen und können nun den nächsten Geburtstag ansteuern.“
Das komplette Programm von RHEINBACH LIEST findet sich auf rheinbach-liest.de.