Redaktionsgespräch mit der Initiative Region Koblenz-Mittelrhein e.V.
„Wir sind eine starke Region“
Die „Initiative Region Koblenz-Mittelrhein“ setzt mit der Idee der Gründung einer „Regiopolregion“ auf Vernetzung. Regionen, die in Zukunft überhaupt noch wahrgenommen werden wollen, müssen gemeinsame Ziele formulieren und umsetzen. Hans-Jörg Assenmacher, Vorsitzender der Initiative, Dr. Ulrich Kleemann, stellvertretender Vorsitzender, und Geschäftsführerin Sandra Hansen-Spurzem waren zum Redaktionsgespräch im Krupp-Medienzentrum in Sinzig und erläuterten Hermann Krupp, mit welchen Ideen sie Anstöße geben wollen, dass sich die Region stärker vernetzt und so gemeinsam im Wettkampf der Regionen bestehen kann.
Sinzig. Hermann Krupp lässt den Vorsitzenden zunächst einmal erklären, was die Initiative Region Koblenz-Mittelrhein eigentlich ist, welchen Aufgaben sich der Verein widmet. Gibt es Arbeitsschwerpunkte? Welche Ziele werden verfolgt? 2001 auf Initiative von Peter Greisler gegründet, erklärt Hans-Jörg Assenmacher, war von Beginn an das Ziel, ein Dach zu spannen, die Region sichtbarer zu machen. In der Fläche umfasst die Region in etwa den alten Regierungsbezirk Koblenz. Für die Idee des Vereins, so der Vorsitzende, wird vielfältig geworben, auf zahlreichen Veranstaltungen wie auch über Publikationen. Die aktuell rund 300 Mitglieder sind Privatpersonen, Firmen und Kommunen.
„Regiopolregion“ soll gegen Metropolregionen bestehen
Der Vorstand griff das Thema „Regiopolregion“ auf: Dahinter verbirgt sich der Gedanke, dass Deutschland nicht alleine aus Metropolregionen besteht, sondern eben auch aus Regionen wie der unseren. Diese Idee wurde bei einer Veranstaltung in Andernach erstmals öffentlich kommuniziert – die Reaktion, so Assenmacher, war sehr gut, erstmals konnte man anfassen, wohin sich die Region entwickeln könnte.
„Wo liegen denn die Schwerpunkte des Vereins?“, fragt Hermann Krupp. „Ist der Verein eher breit aufgestellt oder werden Schwerpunkte verfolgt?“ Hans-Jörg Assenmacher unterscheidet zwischen dem „Verstehen nach innen“ – hier werden Schwerpunkte wie etwa Verkehr, Bildung oder Gesundheit besetzt – und dem „Verstehen nach außen“, was eher einem Marketing gleichkomme. Grundsätzlich aber „kennen wir unsere Grenzen“. Er sieht die Aufgabe der Initiative darin, Anstöße zu geben.
Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit: Auf einer Tourismusmesse, so wurde berichtet, war z.B. die Region Schwarzwald komprimiert in einer Halle vertreten und machte so Werbung für alle Beteiligten, die sichtbar war. Die Feriengebiete unserer Region hingegen waren auf verschiedene Messehallen verteilt – dadurch weniger sichtbar.
„Gemeinsam ist man stärker“
„Ist das wieder das Kirchturmdenken, die fehlende Bereitschaft, sich zusammenzuschließen?“ fragt der Verlagschef. „Oft haben mögliche Beteiligte Angst, durch eine Vernetzung Selbstständigkeit zu verlieren.“ Das steckt tatsächlich oft dahinter. Dr. Ulrich Kleemann weiß aber: „Gemeinsam ist man stärker.“ Man hat mehr politisches Gewicht, kommt besser an Fördertöpfe. EU-Projekte gehen an der Region vorbei, weil es schlicht keinen Ansprechpartner gibt. Kleemann denkt, dass es künftig einen noch stärkeren Wettbewerb der Regionen geben wird. Wenn eine Region dann nicht als Ganzes organisiert und vernetzt ist, „spaltet sich die Region“ in Richtung der nächstliegenden Metropolen. In unserem Fall wäre das dann eine Orientierung nach Köln im Norden und nach Frankfurt oder Mainz im Süden. Das zu vermeiden, „ist unser Ziel“.
„Wer mitmacht, hat Vorteile“
Assenmacher und Kleemann kennen Beispiele aus anderen Regionen, die eine solche Vernetzung erfolgreich umsetzten. Es komme auf ein Zusammenspiel an, sagt Hans-Jörg Assenmacher. So sei die Region nicht alleine von Koblenz abhängig. Vielmehr ziehe die Stadt Koblenz auch ihre Wirtschaftskraft aus der Region. Es pendeln täglich nicht nur viele Arbeitnehmer nach Koblenz, sondern auch aus der Stadt raus, um in der Region zu arbeiten. Man profitiert also voneinander, sollte daher auch als eine Region gemeinsam auftreten. Dabei gehe es beileibe nicht darum, denjenigen, die sich beteiligen, das Selbstwertgefühl zu nehmen. Im Gegenteil: „Wer mitmacht, hat Vorteile.“ Die Region Mittelrhein sei zum Beispiel eine der ganz wenigen Regionen mit drei namhaften Weinanbaugebieten. Warum soll man das nicht gemeinsam vermarkten und weitere Teilnehmer in das Marketing integrieren? „Aber Sie geben als Verein nur Anstöße“, sagt Hermann Krupp. „Sie zeigen auf, wie man die Lücke zur Umsetzung schließen kann.“ Ja, und dazu, so Dr. Kleemann, werden viele Gespräche mit kommunalen Vertretern geführt.
Entscheidend sei für das Gelingen, ob Koblenz dabei sein will. Er selbst ist sehr zuversichtlich, einerseits nach dem Beschluss des Stadtrats, andererseits durch den neuen Oberbürgermeister David Langner (ab Mai im Amt), der sich zur Region bekannt habe. Man müsse in einem nächsten Schritt sehen, „wie man eine professionelle Struktur schafft“. Er geht davon aus, dass nicht alle von Beginn an dabei sein werden.
„Und wie kann eine solche Struktur aussehen?“, hakt Hermann Krupp nach. Das könne z.B. eine GmbH sein oder ein Beirat, überlegt Dr. Kleemann. „Wir wollen nichts vorgeben – können wir auch nicht.“ In einer „idealen Struktur“ müsse sich „jeder wiederfinden“. Das werde dann die „Strahlkraft“ entfalten, sodass mehr mitmachen wollen. Beispiele aus Rostock oder Nürnberg zeigen, wie es funktionieren kann.
Wenn alle mitmachen, so Hermann Krupp, könne die Regiopolregion am Ende so groß sein, wie der alte Regierungsbezirk Koblenz. „Ist das dann noch zu händeln?“ Dr. Kleemann: „Das wird man sehen.“ Viele Institutionen hätten noch die alten Strukturen aus dieser Zeit. Die Kammern (IHK und HwK), ergänzt Hans-Jörg Assenmacher, würden die Bereiche aus dieser Zeit noch immer abdecken. „Sind die Kammern mit im Boot?“ „Wir arbeiten daran.“ Aber der Vorsitzende ist optimistisch, dass durch das Werben für die Idee Bewegung in die IHK gebracht wurde. Eben das wollen sie erreichen. Dazu wird in allen Ecken der Region dafür geworben. Assenmacher erzählt, dass sogar eine chinesische Delegation über den Kontakt zu Neuwied hier war und sich für die mögliche Bildung der Region interessierte.
Vernetzung beim Verkehr: Koblenz hat Schlüsselstellung
„Lassen Sie uns mal zu Einzelthemen schwenken.“ Hermann Krupp interessiert, wie die Initiative das Thema ÖPNV heute betrachtet und wo sie die Möglichkeiten zur Verbesserung sieht. Grundsätzlich wird das Thema heute allgemein unter dem Begriff „Mobilität“ besprochen. Ein elementarer Umbruch stehe bevor, ist der Vorsitzende sicher. Er weiß von „ganz vielschichtigen Problemen“, etwa dem Problem von Unternehmen, wie sie ihre Lehrlinge in den Betrieb kriegen, wenn diese in einem Dorf leben. Große Unternehmen berichteten ihm, dass die Logistik kaum noch zu bewältigen sei. „Auf der Schiene ist schon viel passiert“, ergänzt Dr. Kleemann. Aber an den Anschlussverbindungen hakt es oft noch.
Krupp: „Unsere ländliche Region denkt zu autolastig.“ Assenmacher: „Die Höhenunterschiede sind ein Problem.“ Kleemann: „Das funktioniert woanders auch.“ Einen gut funktionierenden Verkehr zu organisieren, gehe aber nicht von heute auf morgen. Ausschreibungen zu Verkehrsverbindungen laufen lange, sagt Hans-Jörg Assenmacher. Wenn Verbindungen 20 oder 25 Jahre unverändert bestehen, verfestige sich etwas. Man müsse also „viele kleine Stellschrauben“ drehen, um den Verkehr den veränderten Voraussetzungen anzupassen. Auch hier gelte wieder die Vernetzung als Lösung der Probleme. Dr. Kleemann: „Und Koblenz hat da eine Schlüsselstellung.“ Hermann Krupp fasst zusammen: Auch wenn es bei einzelnen Städten gut funktionieren mag, ist der Verkehr im Zusammenhang wenig durchdacht.
Künftig Medizinstudium in Koblenz?
Anderes Thema: Ärztliche Versorgung. Auch diesem Thema widmet sich die Initiative Region Koblenz-Mittelrhein schon länger. „Sehen Sie da eine Entwicklung?“ Dr. Ulrich Kleemann erwähnt die aktuelle Bildungsstudie der Initiative. Es gehe auch künftig darum, gut Qualifizierte in der Region zu halten. Der Bildungsstandort müsse attraktiv gehalten werden. Es wurde sogar schon, erzählt Hans-Jörg Assenmacher, die Arztausbildung in Koblenz gefordert. Wenn eine ganze Region dies fordere, ist er sicher, sei es etwas anderes, als wenn es Einzelne tun. Zudem, so der stellvertretende Vorsitzende, würden weitere Unternehmen angezogen, wenn Unikliniken in der Nähe sind.
2018 erster Schritt in Richtung Regiopolregion
Letzte Frage: Welche konkreten Ziele hat die Initiative Region Koblenz-Mittelrhein für das Jahr 2018? Der erste Schritt in Richtung „Regiopolregion“ soll gegangen werden, antwortet Dr. Kleemann. „Alles ist auf dieses Ziel fokussiert“, ergänzt Hans-Jörg Assenmacher.
WPA