Redaktionsgespräch mit Innenminister Michael Ebling

„Wir sind hier jetzt aus dem Gröbsten raus“

„Wir sind hier jetzt aus dem Gröbsten raus“

Innenminister Michael Ebling und Staatssekretärin Nicole Steingaß (v.l.) besuchten Susanne Tack und Hermann Krupp in Sinzig. Foto: WPA

07.07.2023 - 17:32

Sinzig. Er ist erst wenige Monate im Amt und hat einen großen Berg an Herausforderungen zu meistern: Der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling stand beim Redaktionsgespräch im Krupp-Medienzentrum in Sinzig Rede und Antwort – natürlich nahm dabei das Thema Ahrtal breiten Raum ein. Unterstützt wurde der Innenminister von Nicole Steingaß. Zu den Aufgaben der Staatssekretärin zählt u.a. auch die Leitung der Wiederaufbauorganisation, die nach der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal eingerichtet wurde.   Wie denn die ersten Monate im neuen Amt waren, fragt Hermann Krupp. In der Innen- und Sicherheitspolitik ergaben sich durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine besondere Herausforderungen, so Ebling. So nahmen beispielsweise die Cyber-Angriffe massiv zu. „Das fordert uns im hohen Maße“ und steht „ganz oben auf der Agenda“. Sein Haus arbeitet auch daran, widerstandsfähige Strukturen zur Stabilisierung der kommunalen Arbeit aufzubauen. Den Fachkräftebedarf nennt er beispielhaft, der mittlerweile „gar nicht mehr zu segmentieren“ sei, sondern alle Branchen betreffe. Er sieht ein Vorantreiben der Digitalisierung als Möglichkeit, da wieder herauszukommen. Und: Die öffentliche Verwaltung müsse „aufgabenkritischer“ werden und fragen, was wirklich wichtig ist.


„Der Klimawandel macht eben keine Pause“


Welche Schwerpunkte das Innenministerium denn aktuell lege, will Prokuristin Susanne Tack wissen. Der Katastrophenschutz wird neu aufgestellt, antwortet der Innenminister. „Der Klimawandel macht eben keine Pause.“ Er weiß, dass man sich da neu aufstellen muss. Beim Thema Sicherheit macht er auf durch das Darknet veränderte Kriminalitätsformen aufmerksam. Der Kampf dagegen sei „erfolgreich“. Die interkommunale Zusammenarbeit soll gestärkt werden. „Wir brauchen mehr Selbstverständnis, Aufgaben in der kommunalen Familie zusammen zu lösen.“ Und, die wenigsten dürften wissen, dass das Innenministerium auch für das kulturelle Erbe zuständig ist, das kulturelle Erbe soll gepflegt werden. Kein Bundesland habe mehr Weltkulturerbestätten als Rheinland-Pfalz, sagt er. Die Bundesgartenschau 2029 findet dezentral im Oberen Mittelrheintal statt – auch hier ist das Innenministerium organisatorisch dabei. Beim Thema erneuerbare Energien, das gehört zum Thema Landesplanung, sollen mehr Flächen zur Verfügung gestellt werden. Es gebe bereits erfolgreiche Beispiele, so Ebling, bei denen sich zeigte, wie Kommunen „im Interesse aller“ davon profitierten. Ein Gesetzentwurf sieht vor, dass 2,2 Prozent der Landesfläche für Erneuerbare Energien zur Verfügung gestellt werden.

„Das gehört zur Wahrheit dazu“


Kommen wir zum Ahrtal. „Wie bewerten Sie den aktuellen Stand des Wiederaufbaus?“ fragt Hermann Krupp. Von Tag eins an habe man für Realismus geworben, antwortet der Innenminister. Er sieht „viele Lichtblicke“, weiß aber auch, dass „wir zum Teil noch Jahre vor uns haben, bis die Infrastruktur und privater Besitz wieder hergestellt ist“. Ebling: „Das gehört zur Wahrheit dazu.“ Die Menschen vor Ort leisteten Unglaubliches, sagt er anerkennend. Aber es gehe eben nur Schritt für Schritt. Staatssekretärin Nicole Steingaß ergänzt: „Wir müssen sehen, wo wir gestartet sind.“ Ganz schnell gab es wieder Telefon-, Gas-, Wasser- und Abwasserleitungen. „Es ist eine enorme Leistung, die vollbracht wurde.“ Viele klagen beim Wiederaufbau über zu viel Bürokratie. Ob das nicht alles schneller gehe, will Susanne Tack wissen. „Was ist schnell?“ Der Innenminister zählt auf, dass es „im Verhältnis zu normalen Bauprozessen“ im Ahrtal schneller gehe, egal ob es um Anträge, Bewilligungen oder die Realisierung gehe. Man schaue dabei immer, „wie wir Sand aus dem Getriebe nehmen“. Er sei mit seinem Haus immer dabei, „im Sinne eines pragmatischen Weges“ Antworten zu finden.  „Uns werden öffentliche Gelder anvertraut“   Der Eindruck zementiert sich, dass viele Wege beim Wiederaufbau an der Ahr zu noch mehr Bürokratie führen, überlegt Hermann Krupp. „Uns werden öffentliche Gelder anvertraut“, so Michael Ebling. Entsprechend umsichtig müsse man bei der Verteilung vorgehen. Schnelle, unbürokratische Lösungen wie bei Unternehmen seien bei öffentlichen Verwaltungen nicht möglich. „Aber auch da lassen sich Lösungen finden“ – abgesehen von „limitierenden Faktoren, die wir nicht beeinflussen können“. Grundsätzlich seien die Bewilligungen zum Wiederaufbau an der Ahr jedoch „von Fortschritt gekennzeichnet“. Die Staatssekretärin ergänzt, die Bewilligungsquote liege bei „weit über 90 Prozent“.

„Die Funktionalität hat oberste Priorität“


Hermann Krupp hinterfragt die Geschwindigkeit des Wiederaufbaus an vielen Stellen. Zahlreiche Dinge konnten begeistern. Bei anderen hingegen denke man sich „das kann doch nicht sein“, etwa bei der Bundesstraße B266. „Viele stören sich daran.“ Die Antwort: „Die Funktionalität hat oberste Priorität. Alles andere kommt danach.“ „Das Ahrtal sollte im Zuge des Wiederaufbaus zur Modellregion werden“, so Susanne Tack. „Ist das Thema noch aktuell?“ Es gebe einen breiten Konsens, Lehren aus der Katastrophe zu ziehen, erklärt Innenminister Ebling. Die Antwort auf die Ereignisse vor zwei Jahren sei, resiliente Strukturen aufzubauen. „Wie bauen wir nachhaltiger und ressourcenschonender? Wir wollen Modellhaftes schaffen!“ Aber: Es werde vor Ort geplant und gebaut, unterstreicht er. Das bedeutet: „Es gibt nicht die eine Planung für das Ahrtal.“ Es gehe darum, zu erfassen, was gebraucht wird, was neu entstehen soll. „Was wieder entsteht, muss sich messen lassen.“ Staatsekretärin Steingaß ergänzt, der Glasfaserausbau wäre nie in dieser Geschwindigkeit gekommen, hätte man nicht neue Leitungen legen müssen. Sie erwähnt als weiteres Beispiel für gelungenen Wiederaufbau die Tourismusstrategie. „Es entwickeln sich viele Themen, die man nicht aus Mainz herbringen kann.“ Es gebe neue Häuser, nun hochmoderne Hotels. Besonders viele Wissenschaftler seien im Ahrtal aktiv.

Zinsen drücken Gemeinden bei Vorfinanzierung


In Bad Neuenahr Ahrweiler soll es rund 1.400 Maßnahmen geben. Pro Maßnahme wird im Schnitt von 50 Rückfragen berichtet. Ist es da nachvollziehbar, wenn die Verwaltung überfordert ist? Diese Zahlen könne er nicht nachvollziehen, sagt Ebling. Er macht aber darauf aufmerksam, dass es um die Verwendung öffentlicher Mittel gehe – da gebe es Bedarf für Rückfragen. Der Innenminister hat Verständnis, wenn Menschen auch mal Luft ablassen, sagt er. „Die Leute arbeiten bis zum Anschlag. Ortsgemeinden, die vor großen Herausforderungen stehen, sollen Hilfen an die Seite gestellt werden. Das Thema Zwischenfinanzierung drückt ebenfalls viele Gemeinden: Wird ein Vorhaben begonnen und es sind noch keine Fördergelder da, muss das Geld aufgenommen werden – und jetzt zahlen auch öffentliche Stellen wieder Zinsen, auf denen diese dann sitzenbleiben. „Wie kann man diese Kommunen unterstützen?“ fragt Susanne Tack. Man sei dabei, nach Lösungen zu suchen, antwortet der Innenminister. Zwar wurden Abruffristen gestreckt, aber man sehe, dass es das Thema immer noch gebe.

Angst vor dem nächsten Starkregen


Beim nächsten Starkregen haben viele Menschen im Ahrtal Angst, weiß Hermann Krupp. Daher: Hat der Minister den Eindruck, dass die Menschen heute besser geschützt sind? Und: Wie kann man die Geschwindigkeit für den Hochwasserschutz erhöhen? „Das Warnnetz steht wieder“, antwortet Ebling. Er berichtet auch von einer klaren Verstärkung bei der unmittelbaren Hilfeleistung. Im Bereich der Hochwasserschutzmaßnahmen sei hingegen „noch viel zu tun“. Beispielsweise müsse man einen Weg finden, die Zuleitung zur Ahr zu bremsen und die Gewässer wieder herstellen. Das werde jetzt priorisiert. Die Staatssekretärin unterstreicht, Hochwasser werde immer wieder kommen. Zusätzlich zu den öffentlichen Maßnahmen müssten die Menschen auch privat vorsorgen.

Nach zwei Jahren, sagt Michael Ebling, gelte es, die Zivilgesellschaft stärker ins Spiel zu bringen. Der von Land, Kreis und Kommunen in Gründung befindliche Verein „Zukunftsregion Ahrtal“ könne einen wichtigen Beitrag leisten, um aus der Kleinteiligkeit der einzelnen Projekte auszubrechen. Letzte Frage: Wann wird der Wiederaufbau im Ahrtal abgeschlossen sein und wie wird das Ahrtal dann aussehen? „Es wird im Ganzen noch eine Reihe von Jahren dauern“, sagt Innenminister Michael Ebling. Wie es aussehen wird? Fest steht für ihn, dass durch den Wiederaufbau Werte geschaffen werden. „Neu Entstandenes wird eine Attraktivität bekommen.“

Text/Fotos: WPA

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11.07.2023 08:44 Uhr
K. Schmidt

Jede Menge nichts und heiße Luft, was die Landespolitik da verkündet hat. Beispiel Problem der Zwischenfinanzierung, die die Gemeinden belastet: Wie kann man diese Kommunen unterstützen? Tja, indem man Förder/Wiederaufbaugelder schneller bearbeitet und auszahlt. Indem man nicht jede Rechnung 17x kopiert, prüft, nochmal prüft, hin und her schickt, sondern das Land einfach aktiver in so manchem Prozeß mitspielen und zahlen würde. Oder notfalls auch indem man die Fristen, innerhalb derer Wiederaufbaumaßnahmen begonnen werden müssen, einfach nach hinten verlängert, damit für die Finanzierungsfragen vorher mehr Zeit ist. Nein, alles viel zu kompliziert, die Ministerlösung: "Man sei dabei, nach Lösungen zu suchen." Zwei Jahre nach der Flut sucht man weiter nach Lösungen. Bitte fragen Sie in 10 Jahren nochmal. Aber das man jetzt mit öffenlichen Geldern umsichtig umgehen muss, den Satz wird er sich hoffentlich gut merken und den anderen in der Regierung auch mal sagen.



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